Employee Experience (EX) ist in aller Munde. Aber warum eigentlich? In diesen Artikel geben wir eine kurze Einführung in das Thema und die Herkunft von EX. Darüber hinaus zeigen wir auf, welchen Einfluss EX auf HR(-IT)-Projekte besitzt und wie ein typisches EX-Projektvorgehen aussehen könnte.

Warum ist EX für Unternehmen relevant?

Employee Experience ist einer der neuesten Trends in HR. Was genau hat es damit auf sich? Welchen Nutzen bringt es für Unternehmen und für die Mitarbeiter? Handelt es sich nur um einen kurzfristigen Trend oder wird uns das Thema langfristig begleiten?

Studien zeigen, dass eine gute Mitarbeitererfahrung zu engagierterem Verhalten führt. Mitarbeiter mit hohem Engagement sind produktiver und handeln häufiger im Sinne des Unternehmens, was sich positiv auf den Gewinn auswirkt. Engagierte Mitarbeiter wirken sich aber nicht nur auf die finanzielle Geschäftsleistung aus, sondern auch auf den Ruf eines Unternehmens. Die Mitarbeiter sprechen offen über die Zuneigung zu ihrem Arbeitgeber, was sich auf ihr privates Umfeld sowie auf die Kunden auswirkt, mit denen sie zu tun haben.

Studien von IBM haben sogar die Mitarbeitererfahrung mit Bindungsraten, freiwilligem Zusatzaufwand und gesamter Arbeitsleistung in Verbindung gebracht. Ebenfalls, dass die Mitarbeitererfahrung mit einer höheren Kapitalrendite und einem höheren Umsatz verbunden sein kann. Unternehmen mit einem hohen Niveau in der Mitarbeitererfahrung weisen höhere Umsätze und Gewinne auf als Unternehmen, die sich nicht auf dieses Thema konzentrieren und daher weniger engagierte Mitarbeiter besitzen. (IBM Smarter Workforce Institute)

Woher kommt Employee Experience?

Wir gaben gesehen, welch hohe Bedeutung die Mitarbeitererfahrung für Unternehmen besitzt, und sollten uns deshalb genauer ihren Ursprüngen ansehen. Beginnen wir daher mit einer groben Zusammenfassung der wirtschaftlichen Entwicklung. Ursprünglich haben wir geerntet, Dinge aus der Erde gezogen und sie nach Preis verkauft. Es handelte sich um eine Warenwirtschaft. Wir haben diese Waren dann genommen und verändert, verpackt und zu anderen Waren verarbeitet, um einen höheren Preis zu erzielen. Auch die verarbeiteten Waren wurden kommerzialisiert und mit einem Preis versehen. Zur Differenzierung haben wir begonnen, gemeinsam mit einer Ware auch Dienstleistungen zu verkaufen und einen noch höheren Preis dafür zu verlangen. Mit dem Internet-Boom sind viele dienstleistungsbasierte Industrien stark gewachsen. Fast jeder geht online und trifft dort Entscheidungen auf der Grundlage des Preises. Als Reaktion auf diese Entwicklung haben wir uns zur Experience Economy entwickelt. In der Experience Economy geht es nicht mehr nur darum, billig zu sein, Zeit zu sparen und einen guten Kundenservice zu bieten, sondern darum, die Zeit gut zu nutzen. Zeit ist das Einzige, aus dem wir nicht mehr machen können, daher dreht sich die Diskussion nicht mehr um den Preis, sondern um den Wert. (Siehe auch: Forbes Magazine)

Der Begriff Customer Experience wurde geboren. Er bezieht sich auf die Gesamtheit der kognitiven, affektiven, sensorischen und verhaltensbezogenen Verbraucherreaktionen in allen Phasen des Konsumprozesses, einschließlich der Phasen vor dem Kauf, dem Konsum selbst und nach dem Kauf. Die Employee Experience entstand daraufhin durch die Anwendung von Customer Experience-Prinzipien auf Employee Journeys (von Job Seeker Experience über New Hire und Day-to-Day bis hin zu Alumni Experience), mit dem Ziel, das Engagement der Mitarbeiter und die Geschäftsergebnisse zu steigern. Eine gute Definition von Employee Experience lautet: „Employee Experience […] ist eine unternehmensweite Initiative, um Mitarbeitern zu helfen, produktiv, gesund, engagiert und auf Kurs zu bleiben. Es ist kein HR-Projekt mehr, sondern eine unternehmensweite Strategie, oft vom CHRO in Partnerschaft mit dem CIO geleitet. Und es befasst sich mit allen täglichen Problemen, mit denen Mitarbeiter bei der Arbeit konfrontiert sind.“ (Quelle Josh Bersin) In der Summe kann sich eine gute Employee Experience direkt positiv auf den Umsatz, Verdienst, Produktivität, Kundenbindung, Fluktuationsrate und Krankheitstage auswirken.

Hat das Bewusstsein für Employee Experience einen Einfluss auf HR(-IT)-Projekte?

Ja, mit dem neu gewonnen Bewusstsein wandeln sich immer mehr HR(-IT)-Projekte von prozessgetrieben zu erfahrungsgetrieben.

Kurz gesagt bestand das typisch prozessgetriebene Prozessdesign darin, (1) effiziente Geschäftsprozesse (oftmals auf Basis standardisierter Software) zu definieren und diese Prozesse für eine Organisation zu optimieren, (2) die Zielrollen und Jobprofile zu definieren und dann (3) der Durchführung eines Änderungsmanagements, um sicherzustellen, dass sich die Mitarbeiter an das neue Modell halten. Das heißt, der Funktionsverantwortliche gestaltete einen möglichst effizienten und effektiven Prozess und die betroffenen Mitarbeiter mussten sich an diese neuen Prozesse halten – auch Inside-Out-Ansatz genannt.

Experience-driven Process-Design hingegen beginnt damit, (1) das Erlebnis zu definieren, das man seinen (internen) Kunden bieten möchte, und (2) in einem zweiten Schritt die unterstützenden Tools und Prozesse zu definieren. Da das Erlebnis jedoch aus Sicht der Mitarbeiter optimiert wird, ist (3) ein weniger umfangreiches Änderungsmanagement erforderlich. Dies wird auch als Outside-In-Ansatz bezeichnet.

Wie sieht ein typisches „Employee-Experience-Projekt“ aus?

Natürlich ist jedes Projekt etwas anders organisiert, aber im Allgemeinen hat ein typisches Projekt zur Verbesserung der Employee Experience einer Organisation 5 Phasen.

  1. Gestaltung der Employee Journey inkl. wichtiger Momente und Touchpoints
    In einem ersten Schritt muss ein durchgängiges Verständnis der gesamten Employee Journey gewonnen werden. Ein häufig verwendetes Framework (EX Framework von TI People) basiert auf 6 Phasen: Explore (Job Seeker Experience), Consider (Candidate Experience), Begin (New Hire Experience), Work (Employee Day-to-Day Experience), Leave (Leaver Experience) und Reconnect (Alumni Experience). Für all diese Phasen müssen sogenannte Moments that matter definiert werden. Aus der Sicht der Personalabteilung sind „wichtige Momente“ solche, die die organisatorische Erfahrung eines Mitarbeiters im Laufe seines Tages, Jahres und seiner Karriere am stärksten beeinflussen. Ein entscheidender Moment in der Phase „Beginn“ könnte beispielsweise der erste Tag einer neuen Beschäftigung sein. Die dritte Komponente für ein gutes End-to-End-Verständnis besteht darin, auch über die Berührungspunkte (menschlich, physisch und digital) für jeden identifizierten wichtigen Moment nachzudenken. Solche Momente werden sich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden. Beispielsweise könnte für Mitarbeiter in Unternehmen A das Firmenjubiläum wichtig sein, während Mitarbeiter im Unternehmen B, einem Start-up, sich eher um ihren ersten Tag im Büro sorgen. Oft werden Workshops durchgeführt, um solche spezifischen Momente zu identifizieren, die innerhalb der Employee Journey des Unternehmens von Bedeutung sind.
  1. Den Mitarbeitern zuhören (z. B. Umfrage)
    Eines der wichtigsten Erkenntnisse von Organisationen in der Umsetzung von Employee-Experience-Projekten ist, dass die eigentlichen Probleme meist unter der Oberfläche liegen. Das heißt, wenn man die relevanten Punkte der Mitarbeiter wirklich auffinden und verbessern möchte, muss man ihnen zuerst zuhören. Ein gängiges Vorgehen sind Mitarbeiterbefragungen, in denen man alle zuvor definierten Momente adressiert, um Feedback zum gesamten Mitarbeiterlebenszyklus zu erhalten.
  1. Entscheidung zu Umfang und Priorisierung der Verbesserungen (z. B. Pilotprojekte)
    Basierend auf den gewonnenen Daten aus Schritt 2 ist es ratsam, sich auf wenige Pilotprojekte zu konzentrieren und die wichtigsten Verbesserungsbereiche zu priorisieren.
  1. Verbesserungsmaßnahmen konzipieren und umsetzen
    Die meisten Unternehmen beginnen mit Design-Thinking-Workshops und dem Design von Prototypen: Für einen konkreten Zeitraum, für bestimmte Personas und für ein konkretes Szenario. Mit der Definition der wichtigsten Berührungspunkte und einer klaren Gestaltung von Kanälen in Abhängigkeit der jeweiligen Personas.Während die Schritte 1 bis 3 typischerweise im Besitz des EX-Core-Teams liegen, wird die Implementierung und Umsetzung der Verbesserungsmaßnahmen (Schritt 4) vom Prozess- oder Funktionsverantwortlichen selbst vorgenommen (z. B. HR-Manager). Er oder sie ist auch für die Wirksamkeit der neu konzipierten Maßnahmen verantwortlich, weniger das EX-Core Team.
  1. (Neu-)Evaluierung
    Ob die Maßnahmen die Employee Experience wahrhaftig verbessern, kann man nur feststellen, wenn man die Mitarbeiter später noch einmal befragt.

Kann EX gemessen werden?

Nachdem wir nun wissen, wie ein typisches Employee-Experience-Projekt aussehen sollte, ist es interessant sich die deren Messung anzusehen, da üblicherweise eine verbesserung der EX angestrebt wird. Wie immer gibt es keinen einheitlichen Ansatz, und wie in der Wissenschaft üblich, gibt es verschiedene Theorien und Empfehlungen. Unserer Erfahrung nach haben sich die meisten Unternehmen jedoch für einen praktischen Ansatz entschieden, wenn es darum geht, die Employee Experience innerhalb ihrer Belegschaft zu messen. Da sich die Mitarbeitererfahrung aus dem Konzept der Kundenerfahrung entwickelt hat, neigen Unternehmen dazu, ähnliche Messmethoden anzuwenden. Die beiden bekanntesten Metriken in diesem Bereich sind:

 

  1. Net Promoter Score
    Der Net Promoter Score (NPS) misst die Kunden- (oder in unserem Fall: Mitarbeiter-) Wahrnehmung anhand einer Frage: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie    einem Freund oder Familienmitglied weiterempfehlen würden?“.Mitarbeiter können auf einer Skala von 0 (überhaupt nicht wahrscheinlich) bis 10 (sehr wahrscheinlich) antworten, wobei Personen mit Antworten von 0 – 6 als Kritiker, 7 – 8 als Passiv und nur Antworten von 9 oder 10 als Promotoren eingestuft werden . Der NPS wird dann aus dem Prozentsatz der Promotoren abzüglich des Prozentsatzes der Kritiker berechnet.
  2. Customer Effort Score
    Der Customer Effort Score (CES) ist eine Kennzahl, die misst, wie viel Aufwand Kunden (oder in diesem Fall die Mitarbeiter) benötigen, um ein bestimmtes Problem zu lösen. Daher wird ihnen die Frage gestellt „Wie einfach war es insgesamt, Ihr Problem heute zu lösen?“. Anschließend können sie auf einer Skala von „sehr schwierig“ bis „sehr leicht“ antworten.
    Es hat sich gezeigt, dass der CES den NPS und die Kundenzufriedenheitsmessungen bei der Vorhersage von Verhalten regelmäßig übertrifft.

Diese beiden Fragen können in Form von Pulsbefragungen zu vordefinierten Zeitpunkten, während der Employee Journey gestellt werden. Beispielsweise könnte ein Mitarbeiter nach seinem ersten Arbeitstag eine Einladung zu einer Pulsumfrage erhalten, in der er gefragt wird: „Wie wahrscheinlich ist es nach Ihrer heutigen Erfahrung, dass Sie unsere Organisation einem Freund oder Familienmitglied weiterempfehlen würden?“ und „Wie einfach war Ihr erster Arbeitstag insgesamt?“. Indem man diese Pulsbefragungen nur in wichtigen Momenten durchführt, anstatt jeden Mitarbeiter zu bitten, jeden Tag eine Umfrage auszufüllen, kann man Umfragemüdigkeit vermeiden. Kombiniert man diese Impulsbefragungen mit ein paar tiefergehenden Umfragen zu Erfahrung und Engagement, und man erhält aussagekräftige Einblicke in die eigene Belegschaft. Anhand dieser kombinierten Daten können Heatmaps zu den beiden Indizes und verschiedenen Unterthemen über verschiedene Geschäftsbereiche hinweg erstellt und Handlungsfelder identifiziert. Es ist wichtig, auf die Erkenntnisse aus diesen Daten zu reagieren, da die Mitarbeiter sonst demotiviert werden könnten eventuell auch keine Lust mehr verspüren, an einer solchen Befragung teilzunehmen.

Soll EX nur Teil der Personalabteilung sein?

Da es bei EX nicht nur um das Sammeln von Daten geht, sondern um die Verbesserung der Erfahrung der Mitarbeiter in ihrem täglichen Arbeitsleben, sollte das EX-Team einer Organisation idealerweise aus einem Kernteam und dann je nach angegangenen Themen aus zusätzlichen Teammitgliedern bestehen. Diese zusätzlichen Teammitglieder sollten in dem betroffenen Bereich arbeiten, da sie mit dem Thema vertraut sind und geeignete Verbesserungen vornehmen können. Das EX-Core-Team sollte den Prozess als integrativer Community-Manager unterstützen und Leitprinzipien und Werkzeuge zur Verfügung stellen, um die Kollegen zu befähigen. Es kann EX-Teams geben, die sich auf globale Themen konzentrieren, sowie EX-Teams, die sich nur auf regionale Topics konzentrieren.

Hat die Pandemie EX irgendwie verändert?

Im Zuge der COVID-19-Pandemie sind hybride Arbeitsplatzmodelle (Büro/Homeoffice) zum Standard geworden. Um dies widerzuspiegeln, befassen sich Unternehmen mit EX in drei Hauptbereichen: Menschliche Interaktion, physisch und digital. Spezifische Parameter treiben die Erfahrung in diesen Bereichen voran, wie neue und flexiblere Büroräume (physisch), neu gestaltete HR E2E-Digitalprozess-Workflows, neuer Fokus auf Ansätze zum Wohlbefinden (Human) oder neue Software, um z. B. Innovationen in einem Remote-Team zu fördern einrichten (digital).

Es wird immer mehr zu einer Herausforderung, in einer hochtechnisierten Welt und Arbeitsumgebung eine eindeutig menschliche Arbeitsweise zu schaffen.

binder|consulting bietet für genau diese Herausforderungen Expertise in EX- und Design-Thinking, neutrale Sichtweisen, HR-Technologie-Insights und Umsetzungserfahrung. Wenn ihr mehr über Employee Experience erfahren möchtet und wie ihr es in eurem Unternehmen einsetzen könnt, freuen wir uns über einen Anruf.